Nähere Geschichte der Herren von Schönburg
Prof. em. Dr. Reiner Groß
Die Herren von Schönburg
Das 12. Jahrhundert brachte für das Land zwischen Saale, Pleiße, Elbe, Spree und Oder eine neu Entwicklungsphase. Durch die Wirren des Investiturstreites begann der Prozeß der Bildung von Landesherrschaften.
Am Beginn landesherrschaftlicher Territorienbildung mit Landesausbau, Dorf- und Stadtgründungen standen Wiprecht von Groitzsch entlang der Weißen Elster von Zeitz bis Leipzig sowie Konrad von Wettin als Markgraf von Meißen nach Westen und Südwesten bis an Flöha, Zschopau und Mulde. Dazu trat das deutsche Königtum mit seinen erfolgreichen Bemühungen um den Aufbau eines Reichsterritoriums, das das davon eingeschlossene Land von Altenburg südwärts entlang der Weißen Elster, Pleiße und Zwickauer Mulde bis zum Kamm des mittleren und westlichen Erzgebirges erfasste.
So entstand durch die Staufer Konrad III. und Friedrich I. Barbarossa das Reichsterritorium Pleißenland. Neben Klostergründungen, z. B. Chemnitz 1136/1143 und Remse vor 1165/1170, waren es vor allem vom Kaiser eingesetzte Ministeriale, die Herrschaftsbildung und Landesausbau voranbrachten. Es entwickelten sich reichsunmittelbare Herrschaften mit neu gegründeten Dörfern und Städten.
Die Herren von Schönburg, die wahrscheinlich von Schönburg bei Naumburg stammen, gründeten um 1170 die Burg Glauchau und errichteten von da aus die Herrschaften Glauchau und Lichtenstein.
Sie gehörten neben den Herren von Wartha, von Schellenberg, sowie den Vögten von Weida, Gera und Plauen zu den bedeutendsten Geschlechtern, die dauerhafte Herrschaften errichteten.
Bald sind Angehörige der Familie von Schönburg in der Oberlausitz und in Böhmen im Zusammenhang mit bäuerlicher Besiedlung, Stadtgründungen und Herrschaftsbildung nachweisbar.
Vielfach gehen diese Besitzungen im 14. und 15. Jahrhundert wieder verloren. In den muldenländlichen Gebieten blieben die Herren von Schönburg hingegen dauerhaft. Als sich das pleißenländische Reichsterritorium im Verlauf des 13. Jahrhunderts langsam auflöste, verselbständigten sich die Herrschaften.
Auch die Herren von Schönburg strebten nach eigener Landesherrschaft. Sie konkurrierten mit den wettinischen Markgrafen von Meißen. Die Herrschaften Glauchau und Lichtenstein sowie die später erworbenen Herrschaften Meerane, Waldenburg und Hartenstein waren zunächst reichsunmittelbar, wurden später böhmische Lehen und galten verfassungsrechtlich als Reichsafterlehen.
Durch Kauf und Tausch erwarben die Schönburger 1543 die wettinisch-albertinischen Herrschaften Wechselburg, Penig und Remse, sowie 1548 Rochsburg und wurden damit Lehnsleute der albertinischen Herzöge resp. Kurfürsten. In dieser komplizierten lehensrechtlichen Stellung verblieben die schönburgischen Herrschaften bis in das 19. Jahrhundert hinein.
Das Schönburgische Territorium war seit der Leipziger Teilung 1485 dem albertinischen Herzogtum Sachsen zugeordnet. Die Herren von Schönburg zählten zu den Reichsständen. Zugleich waren sie aber auch wegen ihrer Lehnsverhältnisse kursächsische Landstände.
In ihrer Dienststellung beispielsweise am Hofe von Herzog Georg von Sachsen waren sie den herzoglichen Räten gleichgestellt. Als Reichsstände nahmen sie an den Reichstagen teil und erhoben in ihren Herrschaften im 16. Jahrhundert die Türkensteuer, die sie direkt an das Reich abführten. 1524 richteten die Brüder Wolf I. und Ernst II. das "Gesamthaus" Schönburg ein, das bei allen künftigen Teilungen eine einheitliche Vertretung nach außen erhalten und einen tatsächlichen Zerfall der Schönburgischen Herrschaften verhindern sollte.
Glauchau wurde Regierungssitz des Gesamthauses. Die Gesamtregierung wurde dort ebenso eingerichtet wie der Lehnhof und das Lehngericht sowie ab 1556 das gemeinschaftliche Archiv. Die im Laufe des 16., 17. und 18. Jahrhunderts immer wieder eintretenden Erbteilungen und dabei auftretenden Streitigkeiten ließen im Nachhinein die positive Wirkung der Entscheidung von 1524 deutlich werden. Als die schönburgischen Herrschaften 1656 nochmals vom Kaiser die Reichsstandschaft bestätigt erhielten, wurden sie in ihrer selbständigen Stellung innerhalb Kursachsens gestärkt. Sie zahlten Römermonate und Kammerzieler und stellten ein Kontingent zur Reichsarmee. Das hinderte die sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. und Friedrich August II. aber nicht daran, die bestehenden Lehensverhältnisse im Laufe des 18. Jahrhunderts zu ihren Gunsten zu verändern. Der kursächsische Premierminister Heinrich Graf von Brühl erreichte schließlich nach langwierigen Verhandlungen, dass die Grafen von Schönburg, die 1700 von Kaiser Leopold I. in den Reichsgrafenstand erhoben worden waren, in dem Haupt- und Nebenrezeß vom 4. Mai 1740 die landesfürstliche Oberbotmäßigkeit und die territoriale Oberhoheit des Kurhauses Sachsen anerkannten. Sie verzichteten damit auf ihre landesherrlichen Rechte ebenso wie auf ihre Reichsunmittelbarkeit. 1768 versuchte das Gesamthaus Schönburg, dies rückgängig zu machen. Es entzündete sich ein Konflikt, der über innersächsische Bezüge hinauswuchs, zu militärischen Aktionen führte und ein Teil des Bayerischen Erbfolgekrieges wurde. Durch die Bestimmungen des Teschener Friedens erlange Kursachsen die oberlehensherrlichen Recht über die Schönburgischen Rezeßherrschaften und setzte sich damit endgültig als alleiniger Landesherr durch. Für die Grafen von Schönburg brachte der Teschener Frieden den Verlust der landeshoheitlichen Rechte und der Verlust der böhmischen Oberlehnshoheit. Sie wurden als Lehnsleute der albertinischen Kurfürsten voll in das Kurfürstentum Sachsen eingegliedert. Auch wenn sie vom Kaiser Leopold II. 1790 in den Reichsfürstenstand erhoben worden waren, änderte dies nichts an ihrer verfassungsrechtlichen Stellung. Nach dem Übergang des Königreichs Sachsen zur konstitutionellen Monarchie mit der Verfassung vom 4. September 1831 bedurfte auch die verfassungsrechtliche Stellung der schönburgischen Herrschaften einer Neuregelung. Am 9. Oktober 1835 wurde zwischen der sächsischen Regierung und dem Haus Schönburg ein Erläuterungsrezeß abgeschlossen, der den Rezeß von 1740 modifizierte. 1836 wurde der Erläuterungsrezeß unter den Schutz des Deutschen Bundes gestellt. Er schrieb zwar noch immer ein begrenztes Eigenleben der Schönburgischen Herrschaften fest, beschleunigte letztlich aber den Prozeß der vollen Eingliederung in den sächsischen bürgerlichen Staat. Dies geschah schließlich vollständig zum 1. Dezember 1878, als die sächsische Regierung auf der Grundlage eines zwischen Sachsen und dem fürstlichen Haus Schönburg geschlossenen Rezeßes die volle Justiz- und Verwaltungshoheit über die Schönburgischen Rezeßherrschaften übernahm. Danach waren die Fürsten von Schönburg nicht mehr Träger staatlicher Hoheitsrechte. Sie repräsentierten aber nach wie vor den sächsischen Hochadel, ausgestattetmit umfangreichem Grundbesitz, mit Schlössern, gewerblichen Unternehmen und Kunstvermögen.
Prof. em. Dr. Reiner Groß
Technische Universität Chemnitz
Regionalgeschichte Sachsens
Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien,
Vierte Auflage, 1885-1892